Hey there Delilah – Firewatch

Es gibt Momente im Leben, da würde man am liebsten ausbrechen wollen. Ausbrechen aus seinem Alltag, weglaufen von Problemen und alle Dinge, die schief laufen, einfach mal hinter sich lassen.
So geht es auch dem Protagonisten aus Firewatch, Henry, weshalb er den Job als „Feuerwächter“ in der Wildnis von Wyoming annimmt. Sein Job ist es tagein, tagaus in seinem eingestaubten Wachturm zu sitzen und nach Feuern Ausschau zu halten. Ein einsames Leben, wäre da nicht Delilah.
Delilah ist seine Chefin und wie er, eine Feuerwächterin in einem anderen Turm und sie ist immer per Walkie-Talkie mit Henry verbunden. Delilah ist also die einzige Kommunikationsmöglichkeit in den tiefen Wäldern, der einzige Kontakt mit einem anderen Lebewesen, das kein Eichhörnchen oder Waschbär ist und wird so schnell zur engsten Vertrauten von Henry und dem Spieler, im großen Nichts von Wyoming.
Zusammen mit Delilah und in der Haut von Henry begibt sich der Spieler also auf eine Reise und mit Entdecken des Waldes stellt man schnell fest, dass man nicht so allein ist, wie man bisher glaubte.

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Wer ein mit Action geladenes Adventure Spiel sucht, der ist bei Firewatch an der falschen Adresse. Firewatch ist ruhig, es ist gemütlich. Wie eine Wanderung in die Natur und das ist auch der Kernpunkt des Spieles. Man wandert. Man könnte Firewatch gar als klassischen „Walking Simulator“ bezeichnen.Hin und wieder kommt man an einen Hang und muss mit einem Seil hinauf oder hinunter klettern oder über einen Baumstamm springen. Ansonsten wandert man eben. Firewatch verzichtet dafür komplett auf ein Interface. Man ist nur mit einer Karte und einem Kompass ausgestattet und muss sich so seinen eigenen Weg durch die Wildnis bahnen. Ein vorgezeichneter Pfad, dem man per plaziertem Wegpunkt folgt wie etwa in The Witcher 3, ist hier nicht vorhanden.

Es dauert schon seine Zeit, bis man sich an dieses Prinzip gewöhnt hat und für Leute wie mich, die gerade in Videospielen sowieso keine gute Orientierung haben und immer in die falsche Richtung rennen, bietet das eine ganz eigene Herausforderung.
Diese Zeit braucht Firewatch auch und man möchte diese Zeit auch aufwenden. Die geräumige Welt ist in einem wunderschönen Comic Stil gestaltet und bietet eine einzigartige Atmosphäre. Man hört die Vögel zwitschern, den Bach plätschern und das Feuer knistern, das dazu noch von einem stimmungsvollen und ruhigem Akustik-Soundtrack untermalt wird. „Untermalt“ ist an der Stelle als Wortspiel anzusehen, weil man oft wirklich das Gefühl hat, durch eine Zeichnung zu laufen.
Man fühlt sich wohl in dieser Welt. Am liebsten würde man alles erkunden.

Und während der Erkundung, steht man stehts mit Delilah in Kontakt. Ist sie mal nicht da, oder antwortet sie nicht, vermisst man sie und langweilt sich schnell. Etwa wie bei TellTale hat man Dialogoptionen, die im Endeffekt für keine großen Veränderungen in der Story selbst sorgen, aber durchaus alle ihren Reiz bieten und Lust auf ein re-play machen.
Das Spiel lebt von diesen Dialogen und selten hab ich so ein hervorragend geschriebenes  Zusammenspiel der Charaktere in einem Game erlebt. Delilah und Henry entwickeln sich toll und sind sehr sympathisch und liebenswürdig, ohne sie auch nur einmal zu Gesicht zu bekommen. Delilah ist fürsorglich, sarkastisch, verletzlich und nicht selten hat mich das freundschaftliche Necken der beiden zum schmunzeln gebracht.
Durch sie erlebt man eine Geschichte über das Leben, die Liebe, Verlust und Verantwortung, die einem das Herz wärmt.

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Diese Interaktionen von Delilah und Henry über das Walkie-Talkie sind auch das einzige, was das Spiel, neben Atmosphäre und Spielwelt, so großartig macht.
In der eigentlichen Story geht man einem Geheimnis auf den Grund, das sich während des Spielverlaufs langsam herausstellt. Sind hier in der Gegend zwei Mädchen verschwunden? Und woher kommt dieser riesige Maschendrahtzaun im Wald? Die Entwickler verstehen es brillant einen gewaltigen Spannungsbogen aufzubauen, der während den Wanderungen über die Karte viel Spielraum für eigene Spekulationen bietet. Man klebt förmlich am Controller und will unbedingt den Ausgang wissen. Sind es Aliens? Ist es eine ominöse Regierungsverschwörung?
Leider fällt die Spannung dann aber rapide ab und die Auflösung des Rätsels ist beinahe ernüchternd. Auch das Ende des Spiels folgt sehr abrupt und wirft einen zu hart zurück ins echte Leben. Es wirkt fast so, als hätten die Entwickler das Spiel so schnell wie möglich beenden wollen. Man sitzt enttäuscht und irgendwie traurig vor dem Bildschirm und vermisst jetzt schon die Unterhaltungen mit Delilah. Was folgt als nächstes im Leben? Werden wir Delilah je wieder sehen? Wie soll man nach so einem Sommer weitermachen? Will man das überhaupt?

Firewatch ist ein großartiges Spiel für ruhige Abende. Wo die eigentliche Story schwach und ernüchternd daher kommt, wird das von den tollen Interaktionen der Hauptcharaktere und der liebenswürdigen Art deren Geschichte zu erzählen wieder wettgemacht. Es zeugt von dichter Atmosphäre und einer wundervollen Spielwelt und lohnt sich absolut, wenn es mal etwas anderes als stumpfes Geballere sein darf.

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Datum der Erstveröffentlichung: 9. Februar 2016
Entwickler: Campo Santo
Publisher: Panic
USK: 12
Plattformen: PC, Playstation 4, xBox One

Testsystem kursiv
Alle Fotos sind Original-Screenshots aus dem Spiel

 

About Marina

Studiert irgendwas mit Medien. Spielt am liebsten auf der PS4, liebt alles was eine dramatische Story hat, am liebsten aber Games mit bärtigen und grummeligen Männern. Ist auf Twitter am coolsten. Chefin bei dieletztevoneuch.de. PR-Mensch bei GameNotify.

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