Death Stranding wurde bereits im Vorfeld sehr kontrovers diskutiert und heiß erwartet. Auch ich habe mich mit Sam auf die Reise durch eine zerüttete USA gemacht. Eindrücke davon gibt es hier zu lesen.
Aufgeschreckt von einem komischen Traum wachst du aus einem tiefen Schlaf auf, den du bitter nötig hattest. Ein neuer Tag fängt an, du duschst dich, trinkst schnell einen Energydrink oder snackst einen Müsliriegel, checkst nach deinen Klamotten, deinem Equipment, ob das Handy über Nacht geladen hat und packst deine Sachen.
Die leere grüne Welt mit ihren Hindernissen und Problemen breitet sich vor dir aus wie ein Hauptbahnhof überfüllt mit gestressten Menschen, leeren Seelen die mit leerem Blick ihrem Arbeitsalltag entgegenhetzen.
Doch du bist allein auf dich gestellt, auf deinem Rücken stapeln sich tausend Pakete und Aufgaben und Verantwortung und du merkst wie das Gewicht derer, geschnallt auf einen Rucksack, sich tief in deine Schultern gräbt und rote Striehmen hinterlässt.
Du weißt nicht, was dich auf deinem Weg durch den Tag heute erwarten wird, ob du Schwierigkeiten hast auf deiner Route, ob das Terrain unsicher sein wird, der Boden rutschig, der Fluss zu breit, der Berg zu hoch oder der Zug zu spät.
Du weißt nicht ob du genug Ausrüstung dabei hast, Hilfsmittel, die dich durch den Tag begleiten, eine Leiter, ein Ladekabel, ein Kletterhaken, eine Powerbank und ob du letze Nacht überhaupt genug Energie getankt hast um den unsicheren Weg durch den Alltag zu bestreiten oder ob du zwischendurch jede Gelegenheit nutzen wirst, um unter einem Felsen oder auf einem Balkon Zuflucht zu finden um für zehn Minuten eine Pause einzulegen.
Alles was du weißt ist, dass du deine Arbeit tun musst. Die Leute, oftmals selbst gestresste Hologramme ihrer Selbst sprechen mit dir lediglich wenn sie eine Aufgabe für dich haben. Wenn es etwas zu tun gibt. Wenn etwas erledigt werden muss und das am besten so schnell wie möglich und alles auf einmal. Wenn es Pakete zu überbringen gibt, wichtige Lieferungen, die vom Empfänger erwartet werden. Wenn es etwas zu tun gibt, bist du relevant für sie, sie brauchen dich, sie freuen sich dass ihnen jemand die Arbeit, die selbst ungerne tun würden, abnimmt. Wie du die Cargo managest, deine Aufgaben ausbalancierst, damit alles heil ankommt und sich keine Fehler einschleichen bleibt dir überlassen. Fehler sollten nicht passieren, jeder zählt auf dich und alles muss funktionieren.
Wenn du eine Sache gut abschließen konntest, die zahlreichen Pakete ohne jeglichen Schaden abgeliefert hast, bekommst du vielleicht wenn du Glück hast gerade mal ein knappes Kopfnicken oder ein „Danke“ per Mail.
„Du bist ganz allein während du das Spiel spielst.“ sagt Kojima über Death Stranding.
„Du versuchst diese zerbrochene Gesellschaft wieder aufzubauen, nur durch dich selbst. Die Welt ist wunderschön, aber du bist klein, nur ein winziger Funke. Du fühlst dich hoffnungslos und hilfslos und machtlos. Du fühlst dich so einsam.“
Einsamkeit als zentrales Element macht sich überall in Death Stranding bemerkbar. Während der Kampagne interagiert der von Norman Reedus verkörperte Sam Porter Bridges selten mit realen Menschen. Diese wagen sich nämlich meist nur wenig aus ihren Bunkern heraus sondern schicken lieber eine Holo-Version ihrer selbst vor um Aufträge zu übermitteln. Auch auf den Botengängen mit Sam bist du allein, triffst keine Menschenseele, zumindest keine die dir friedlich gesinnt ist.
Du bestreitest deinen Weg allein durch die Natur, die dir das Leben nicht immer leicht macht. Auf den steinigen Pfaden begleitet dich lediglich hin und wieder ein leise gespielte Song, der die ewige Landschaft und das beklemmende einsame Gefühl untermalt. Der stimmungsvolle Soundtrack der Wanderer, der Abenteurer, die Stimme die dir aus deinen Kopfhörern gut zuredet.
Doch stellenweise bricht das Gefühl der „Solitude“, das Gefühl des Alleineseins. Du merkst wie dir Hilfestellungen gegeben werden, in Form von subtilen Gegenständen wie Seilen, Leitern, Unterständen.
Monumente von anderen Menschen, anderen Sams, die den gleichen Weg gehen mussten wie du. Monumente in der Welt wie ein Lächeln von fremden Menschen auf der Straße oder auf dem Sitzplatz dir gegenüber in der S-Bahn. Wie die Antwort auf eine Frage, die Hilfestellung bei einem Problem. Ein Schulterklopfen, eine Umarmung, die freundlichen Hände die dir unter die Arme greifen.
Die „Verbindungen“, die du als Sam auf den Reisen durch die zerütteten USA (oder wie sie in Death Stranding heißen, UCA), sind mehr spürbar, mehr erlebbar als in erster Linie sichtbar. Es breiten sich Straßen vor deinen Augen aus, wo vorher keine waren, es weist dich ein Schild auf einen nahen Kletterhaken hin, der dich einen Abhang hinunterbringt, es liegt eine schmale Leiter für dich bereit, mit der du eine tiefe Schlucht überqueren kannst. Das System des sich Miteinander-Verbindens funktioniert so gut, dass du selbst motiviert bist Hilfestellungen für andere Sams, für andere Menschen zu hinterlassen, die vor dem gleichen Problem stehen wie du.
Du siehst sie nicht, doch du spürst die Anwesenheit anderer Spieler und die Interaktion mit diesen ist auf diese Weise viel tiefgreifender und bedeutungsvoller als es ein herkömmliches Multiplayer oder Coop Spiel je sein könnte.
Im Endeffekt sind es Connections, nach denen wir alle streben. Dieses Gefühl von Verbundenheit, dieses Wissen, dass da trotz allem jemand ist, der dir hilft, gut zuredet und das gleiche durchlebt wie du, lässt die Einsamkeit in der weiten Welt verblassen und nur zu einem bitteren Nachgeschmack werden, der irgendwann keine Bedeutung mehr haben wird.
Man kann nicht leugnen, dass Death Stranding von Hideo Kojima ist ein besonderes Spiel ist. So nimmt es sich die simple Mechanik des Laufens und wandelt diese in anspruchsvolles, detailliertes und ausgefeiltes Gameplay um, wie man es nur selten gesehen hat. Die Thematik der Verbindungen, der Connections, der Strands, der gesamten Lore der Welt zeigt bis ins kleinste Detail, wie gut durchdacht und abgerundet das Erlebnis von Death Stranding einfach ist.
Zudem kommt ein brillanter Cast der in den hervorragenden und atmosphärischen Cutscenes glänzt und ein leister, teilweise deprimierender Soundtrack der unter die Haut geht. Stellenweise birgt Death Stranding die Gefahr, eintönig und frustrierend zu werden, doch dabei gilt das Motto wie bei so vielem im Leben: sich nicht be-irren zu lassen und weitermachen.