Lieblingsmomente, Überraschungen und Gameplay
In Uncharted 4 begegnen uns zwei neue Antagonisten. Rafe Adler mit seiner Partnerin Nadine und einer ganzen Horde „Shoreline“-Soldaten. Zwei wirklich interessante Antagonisten, wenn auch mir die Rolle von Nadine nicht wirklich schlüssig ist. Sie ist eine Kick-Ass Frau mit Nahkampffähigkeiten, die selbst Nate in die Knie gehen oder aus einem Fenster fliegen lassen, doch bis auf im letzten Kapitel kristallisiert sich ihr Charakter für mich nicht wirklich heraus. Sie ist halt da und… macht das was sie am besten kann. Ärsche kicken. Im letzten Kapitel jedoch hat sie einen Glanzmoment, sie versteht Rafes Antrieb den Schatz zu finden nicht mehr und lässt ihn zurück – zum Sterben wohlgemerkt, mit Nathan und einem bewusstlosen Sam eingeschlossen in einer brennenden Flammenhölle, das uralte Schiff von Captain Avery. Rafe aber strahlt aber eine gewisse Tiefe aus, er ist ein reicher, arroganter Kerl, der sein ganzes Leben alles geschenkt bekommen hat. Er selbst sagt, er hätte für nie etwas kämpfen müssen, bis auf für diesen Schatz und um den berühmten Nathan Drake gewinnen zu lassen, ist er viel zu sehr angetrieben vom eigenen Bedürfnis nach „Guts and Glory“, Mut und Anerkennung, die zwei Dinge, die ihm neben all seinem Geld erheblich fehlen. Er ist ein glaubhafter, ambitionierter Fiesling mit eigenem Antrieb und Ausstrahlung, was ihn und seine Partnerin locker zu den besten Antagonisten der Spielereihe machen könnte – jedoch liegen die beiden um eine Haaresbreite hinter Harry Flynn, dem verräterischen aber gleichzeitig sympathischen Brite aus Uncharted 2.
Erneut spielte Naughty Dog mit meinen Erwartungshaltungen, ich war mir felsenfest überzeugt davon, dass in Uncharted 4 jemand von den lieb gewonnenen (Neben-)Charakteren aus dem Leben gerissen werden würde, ein Grund weshalb ich eigentlich gar nicht anfangen wollte zu spielen. Ich hatte gar eine Art gedankliche „Todesrang“ Liste aufgestellt, auf der der liebe Sully ganz oben stand. Umso mehr war es für mich eine Erleichterung, alle unbeschadet verabschieden zu können. Naughty Dog kreierte einen schönen Ausklang einer großartigen Reihe und zeigt so, dass ein Spiel, um Dramatik zu erzeugen, nicht zwingend mit dem Tod eines Hauptcharakters einhergehen muss. Das bringt frischen Wind in die Industrie und wird den Charakteren, der Geschichte der Reihe und der Thematik einfach würdig, den Tod eines geliebten Menschen auf dem Screen hätten die Spieler nicht verdient um am wenigsten die Charaktere selbst.
Etwas enttäuscht war ich, dass mir das Wiedersehen von alten Bekannten, zum Beispiel Charlie Cutter und Chloe Frazer aus Uncharted 2 und 3 verwehrt wurde. Es hätte mich gefreut zu sehen, wie diese zwei auf die Next (beziehungsweise jetzt schon Current) Gen transportiert worden wären, aber mir bleibt ja immer noch das Single-Player DLC als letzte Hoffnung.
Angenehm überrascht war ich aber vom Fehlen jeglichen supernaturellen Kreaturen. Der übernatürliche Twist am Ende von den Vorgängern gehörte nie zu meinen Lieblingsstellen (Uncharted 1, fühl dich angesprochen) und ich bin froh, dass Uncharted 4 davon abgekommen ist. Das Ausbleiben von fremdartigen Kreaturen oder Piraten-Geistern lässt das Spiel insgesamt noch erwachsener, noch am Boden gebliebener wirken und diese Entwicklung begrüße ich sehr. Dennoch hatte auch der letzte Teil einen leichten Grusel Faktor, Libertalia ist überzogen von Skeletten und Leichen und explodierende Mumien in Untergrundbunkern sind wirklich genug.
Zu meinen Lieblingsmomenten gehören all die Momente, wo ein stiller Soundtrack die Emotionen untermalte und man einfach nur die Chance hatte herumzuspazieren und die wunderschöne, detailliert gestaltete Spielwelt zu erkunden. Jede optionale Konversation vermittelte das Gefühl von Zusammengehörigkeit der Charaktere, alles war glaubwürdig umgesetzt und im Gesamtbild unendlich stimmig. Wie schon angedeutet, gehört die Szene auf dem Dachboden, das Herumstöbern dort zu meinen absoluten Lieblingsmomenten. Für mich als kein großer Fan von riesigen, actionreichen Schießereien, zählen vor allem die ruhigen Momente, denn diese transportieren hauptsächlich die Handlung und Emotionsdichte, von der das ganze Spiel lebt. Kleine Konversationen, Bewegungen, Scherze – alles unglaublich kostbar und detailliert. Ich weiß, es ist Klischee Uncharted 4 mit The Last of Us zu vergleichen und das will ich auch gar nicht, da ich solche Vergleiche ätzend finde. Aber die Atmosphäre und die Art des Storytellings, die The Last of Us für mich zu einem Stück meines Herzens macht, ist so ziemlich der Grundton von Uncharted 4. ND hat davon viel übernommen, viele kleine zärtliche Momente eingebaut, die ans Herz gehen.
Ich habe einiges gelesen und oft wird Uncharted 4 unfair behandelt. Ich las von Leuten, die Uncharted 4 nicht als einen Teil von Uncharted ansehen, sondern nur als „weiteren Teil von den The Last of Us Machern“, aber das ist es nicht. Uncharted 4 ist immer noch Uncharted, bei aller Dunkelheit, bei allen Veränderungen. Uncharted 4 ist erwachsener, die Reihe und die Charaktere sind erwachsener geworden und haben ihr würdiges Ende bekommen.
Was die Action Sequenzen angeht – die haben wirklich Spaß gemacht. Neue Gameplay Elemente, wie der Kletterhaken, das Schlittern auf steinigem oder rutschigem Untergrund oder das Herumcruisen mit dem Jeep, alles wurde passend integriert, funktionierte flüssig und bereitete Vergnügen wie das Rutschen im Kinderparadies. Nicht alle sind Fan vom Kletterhaken, viele fragen sich wieso er in Uncharted 1-3 gefehlt hat, da Sam Nathan die Benutzung doch beigebracht hat und alle drei Teile nach seinem „Tod“ spielten. Zugegeben: Vielleicht ein kleiner Logikfehler, die Benutzung macht dennoch unglaublich großen Spaß.
Zu meinem liebsten Gameplay Element gehört aber unumstritten das neue Stealth System. Wo es mich in den Vorgängern oft an den Rand der Frustration gebracht hat, wenn ich versucht habe ein Gefecht auf ruhige Art zu regeln und alle Gegner dann aber automatisch trotzdem auf mich losgingen, gibt es in Uncharted 4 die Möglichkeit, sich in hohem Gras oder Blätterdach oder unter Wasser beinahe unsichtbar zu machen, was das leise Ausschalten von Gegner zu Gegner zu einer ganz eigenen Art von Nervenkitzel macht. Ich bin ein großer Fan von der Stealth Methode, sie bringt Abwechslung ins Gameplay und erspart einem manchmal den Stress von Waffengefechten. Hier wurde mächtig dran gewerkelt.
Woran auch mächtig gewerkelt wurde: Der Photomode. Ich liebe den Photomode. Für mich ist ein Photomode fast schon Muss in jedem Spiel. In den Vorgängern hat dieser an manchen Stellen oft gebuggt, man bekam nicht den richtigen Winkel oder NPCs standen im Sichtfeld. Alles gefixt, man bekommt die neue Möglichkeit, NPCs, Feinde, Verbündete und sogar Nathan selbst kurzerhand auszublenden. Eindrucksvollen Landschafts- oder Detailaufnahmen der wunderschönen Spielwelt mit all ihrer Grafikpracht steht nun nichts mehr im Wege.
Nathans Tagebuch ist auch wieder mit von der Partie und zum ersten Mal in der Reihe konnte man Tagebucheinträge als zusätzliche Collectibles selbst sammeln, so zeichnet Nathan Muster ab, malt Sam in optionalen Dialogen und kritzelt munter drin herum, was zusätzliche Boni wie Konzeptart im Hauptmenü freischaltet.
Ich bin ein großer Fan von Sammelbarem in Videospielen und was bereits von The Last of Us bekannt und ein kleiner Teil war, sind die vielen Sammelobjekte in Form von Briefen, die in bestimmten Spielabschnitten auffindbar waren und eine eigene Geschichte erzählen. Bei The Last of Us war es das Schicksal von Ish, einem gestrandeten Seefahrer auf einer Insel, seinem Leben und Tod in der Kanalisation und bei Uncharted 4 beispielsweise das Leben und Leiden in Libertalia, der von Captain Avery und seiner Crew errichteten Piratenkolonie mitten im Dschungel. Aus den Briefen von ehemaligen Kolonialisten erfährt man, wie das paradiesisch angleichende Libertalia seinen Anfang und sein Ende fand, der Streit, der zwischen den Gründern entbrannte und die Folgen dadurch. Aber auch zurück in Nates und Sams Kindheit, als sie in dem großen Haus nach Aufzeichnungen ihrer Mutter suchten, lassen sich immer wieder kleine Briefe von den vorherigen Inhabern der Mansion finden. Sie erzählen die Geschichte eines Ehepaars, Schatzsucher, die beide mit diesem Leben irgendwann nicht mehr klar gekommen sind und so die Beziehung samt Enttäuschungen und Scheidungskrach beendeten – eine Parallele zu Nathans und Elenas Leben, eine Alternative was alles zwischen den beiden noch hätte passieren können, hätten sie ihre Differenzen nicht in den Griff bekommen.
Der Epilog oder das Ende eines Diebes?
Elena und Nathan auf einer Bank, über ihre Zukunft sprechend, Scherze machend.
„Was ist damit passiert einfach ein normales Leben zu führen?“, fragt Nathan als Elena ihn in ihre Pläne einweiht. Sie lacht und meint bei ihrem Versuch ein normales Leben zu führen hätten sie es übertrieben. Elena gibt zu, das Abenteuer vermisst zu haben. Das Abenteuer zusammen mit Nathan.
„Was sagst du, Nathan Drake.“, fragt sie und er sagt: „Klar, wieso nicht.“
Die Kamera blendet aus.
Nathan und Elena haben ihre Differenzen in den Griff bekommen.
Ich wartete darauf, dass die Credits anfangen zu rollen, aber plötzlich fand ich mich in einem unordentlichen Teenager Zimmer wieder. Auf dem Bett ein junges Mädchen, blond, mit Brille, schätzungsweise dreizehn oder vierzehn Jahre. Daneben ein Golden Retriever.
Mein erster Gedanke: „Oh. Sie sieht aus wie eine ältere Sarah.“
Mein zweiter Gedanke: „Nein. Moment. Sie sieht Elena verdammt ähnlich.“
Im Hintergrund spielt leise eine abgewandelte Version von Nate’s Theme.
Das Mädchen guckt auf die Uhr, seufzt und fragt ihren Hund nur: „Wo bleiben die?“
Sie streunt durch’s Haus und findet einen Brief von Sully, wohl an Nathan. Sich im Ruhestand befindend tourt er mit Sam zusammen um die Welt und ist scheinbar seit zwölf Monaten rauchfrei.
„Grüß die Mädels von uns“, steht unten und dann: „Dein Freund Victor.“
Sie verlässt das Haus und läuft über den weitläufigen Strand, der sich vor ihr erstreckt, bis sie in einer kleinen Hütte landet. Die Hütte ist über und über voll mit Bildern von fremden Ländern, Andenken und Kameras und inzwischen hat man ein sicheres Gefühl, wer hier zu Hause ist.
Des Mädchens Interesse ist aber ein ganz anderes.
Ein abgeschlossener Schrank. Auf einem Schreibtisch findet sie Schlüssel und bemerkt erstaunt, dass „er“ die Schlüssel vergessen hat. Scheinbar ist es ihr nicht erlaubt, einen Blick in diesen Schrank zu werfen.
Sie schließt ihn auf und findet – alles. Alles was Nathan Drake seit 2007, seit Drake’s Fortune ausmachte.
Cassie Drake, benannt nach Nathans Mutter, Cassandra Morgan. Das Mädchen ist niemand sonst als die gemeinsame Tochter von Nathan und Elena auf einer Entdeckungstour in die Vergangenheit ihrer Eltern.
Verwundert stöbert sie in dem Schrank herum, sich fragend, was das Zeug alles ist. Totenköpfe. Karten. Bilder. Das blaue Harz aus Uncharted 2. Erinnerungsstücke. Andenken.
Sie greift nach einem Fotoalbum, findet das alte Foto von Elena. Darauf zu sehen sie selbst, Sully und Nate, mit einer Shotgun winkend. Plötzlich hört sie Stimmen, schließt panisch den Schrank, stellt sich vor das Fotoalbum und tut so, als sei nichts gewesen.
Nathan und Elena betreten den Raum. Sie wirken älter, Nathans Haare sind grauer und ihre Gesichter sind durchzogen von Falten.
„Was ist los, Cassie?“, fragt Nathan. „Sei nicht sauer“, antwortet sie und offenbart, dass sie Nathans Geheimnis gefunden hat. Er fragt sie, was sie gesehen hätte und sie zeigt ihm nur das Foto. Er winkt ab, wirkt sauer, in Cassie wurde aber der Enthusiasmus geweckt und sie fragt ihn aufgeregt: „Hälst du da eine Shotgun?!“
Der Schlüssel zum Schrank ist eigentlich viel mehr der Schlüssel zu Nathans Leben. Oder zu dem Leben, das er gelebt hat.
Als man so in Cassies Haut durch Nathans Haus wandert, wird einem immer bewusster dass Nathan selbst nun endlich angekommen ist.
Der Kreis schließt sich und wo Nathan zu Beginn des Spiels seufzend und melancholisch in seinem Dachboden herumgestöbert hat, wirkt er nun zufrieden mit seinem vergleichsweise normalem Leben, das er jetzt zu führen scheint.
Mit dem Epilog wurde die Reihe abgerundet. Ich war nicht überrascht davon, dass er Vater geworden ist. Um ehrlich zu sein habe ich mir ein Ende von Uncharted immer so vorgestellt, vielleicht nicht durch einen spielbaren Epilog im Körper seines Kindes, sondern vielleicht durch ein Bild am Ende der Credits, ein Bild von ihm und Elena mit einem Baby im Arm.
Die finalen Züge fühlen sich natürlich an, nicht aufgesetzt oder erzwungen. Es ist das, womit viele Spieler rechneten: Das Ende eines Diebes. Das Ende von seinem Leben als Dieb. Das Ende als der Nathan Drake, den wir kennen.
Dieses Ende wurde aber nicht durch seinen Tod herbeigeführt, es wurde herbeigeführt, aus dem Grund heraus dass Nathan Drake nun endlich sein Glück, sein Schicksal, sein „Fortune“ gefunden hat. Nicht auf die offensichtliche Weise. Nicht durch unendlichen Ruhm und Reichtum. Er hat das Leben und das Ende bekommen, das er verdient.
Nathans Ende ist sein perfektes Ende und dennoch habe ich gemischte Gefühle. Woher diese kommen, weiß ich nicht. Was ich weiß ist, dass ich noch viele Male den Controller in die Hand nehmen und Nathans letztes Abenteuer spielen muss. Nur so kann ich die volle Wirkung erfassen.
Es war das letzte Abenteuer, aber es war ein großes Abenteuer. Ein gutes Abenteuer. Ein Abenteuer mit einem Happy End. Ein Happy End für alle Beteiligten.
Und wenn ich Nathan Drake anfange zu vermissen, kann ich immer noch die Disc einlegen und leise den virtuellen Schrank mit all den Erinnerungen öffnen.
Ende.
Datum der Erstveröffentlichung: 10. Mai 2016
Studio: Naughty Dog
Publisher: Sony
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