Country Roads, take me home – Far Cry 5 Review

Keine tropische Insel und kein buddhistisches Bergdorf muss diesmal gerettet werden. Eine einfache amerikanische Gemeinde braucht deine Hilfe: in Far Cry 5.

„No one is coming to save you.“ – The Father 

Das beschauliche Örtchen Hope County irgendwo im US-Bundesstaat Montana befindet sich im Krieg. Stück für Stück wird es eingenommen, von einer brutalen Sekte, die nicht nur die lokale Industrie, sondern auch die Einwohner, einzelne Schicksale und die gesamte Natur verschlingt und nichts als Zerstörung, Blut und Verzweiflung zurücklässt.

Doch jetzt bist du da. Wer du bist? Das kannst du dir das erste Mal in einem Far Cry Spiel selbst aussuchen. Zu Beginn des Spiels hast du die Möglichkeit zu wählen: Frau? Mann? Du bist der Sheriff im Spiel und du bist der Boss.
Hast du dich entschieden, wirst du hineingeworfen in die Welt, kontrolliert von einem mörderischen Familienclan, der mit Terror und Tod regiert. Nach einer missglückten Festnahme des „Vaters“ – dem Sektenanführer – steckst du also in dem Tal fest und niemand wird dich retten kommen.

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Das beschauliche Örtchen Hope County wird von einer schrecklichen Sekte heimgesucht, die sich alles unter den Nagel reißt.

Doch das Tal ist schön. Und es gibt viel zu tun. Neben Nebenmissionen oder dem bekannten Befreien von Outposts gibt es auch so einiges, um sich die Hände schmutzig zu machen.
Ob Jagen oder Angeln, man kann stundenlang in den Wäldern oder Bergen von Hope County verbringen. Anders als in den Vorgängern bringt das aber außer Skins, die in den Stores für Geld verkauft werden können, keine Vorteile. Das nervige Craften von Waffenholstern oder einem größeren Inventar fällt damit weg – Gottseidank. Dennoch kann man mit diesen Aktivitäten in der wunderschönen Landschaft Stunden verweilen.
Wird das aber langweilig und sehnt man sich nach mehr Interaktion, ist diese nie weit entfernt, denn von Interaktion lebt das Spiel.
Was außer dem Craften in Far Cry 5 nämlich noch weg fällt, ist das Befreien von Funktürmen, bekannt aus Far Cry 4 oder Assassin’s Creed, das weitere Teile der Karte aufdeckt. Um beispielsweise zu erfahren, wo es den nächsten Outpost zum befreien gibt, spricht man einfach mit einem NPC und die Karte wird geupdated. Oder man guckt auf die Straßenschilder, die einem weitere Jagdareale eröffnen.
Jeder NPC hat dir irgendwas zu sagen und auch aus Zetteln oder Anrufsbeantwortern lässt sich erfahren, unter was für einem Regime die Einwohner leiden müssen und welchen Schicksalen sie erliegen.
Dieses Prinzip ist viel dynamischer und spannender, denn das Erklimmen der Funktürme in den vorherigen Teilen hat ziemlich Nerven gekostet.
So breitet sich vor einem die wunderhübsche und dicht besiedelte Welt aus, die nur darauf wartet entdeckt zu werden.  Leider wird man auch noch in Far Cry 5 an jeder Ecke angegriffen. Das dämmt den Entdecker-Spaß ein. Nach einer adrenalinreichen Mission wäre es zu schön, einfach durch die Wälder spazieren zu können, ohne ständig angeschossen zu werden. Muss ein Areal immer randvoll mit Gegnern vollgestopft werden, um spannend zu erscheinen?
Zusätzlich zu der tollen Optik, die auch auf der alten Version der PS4 gut aussieht, gibt es auch was tolles auf die Ohren. Die Reise durch Hope County wird von einem stimmungsvollen Soundtrack begleitet, der eine wunderbare Country-Atmosphäre zaubert.

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Beschauliche Plätze wie dieser hier laden zum Angeln und Verweilen ein.

Bereisen lässt sich diese Welt auf vielseitige Art und Weise. Ob zu Fuß, per Boot, per Truck oder mit Flugzeug und Helikopter. Hat man auf all das aber trotzdem keine Lust und muss es mal schnell gehen, gibt es immer noch die häufig und fair gesetzten Schnellreisepunkte auf der Map, die einen ohne eine ewige Wartezeit im Ladebildschirm schnell von Punkt A nach B bringen.
Die Karte und der Storyverlauf ist dabei unterteilt in drei Bereiche. Die mörderische Seed-Familie hat sich nämlich quer über das Land ausgebreitet und jeder der Geschwister kontrolliert ein Gebiet. Es gibt den Henbane River im Osten, kontrolliert von Faith, einer Dame die sich ihre Opfer mit einer speziellen Droge gefügig macht. Über die Whitehill Mountains im Norden hat der für seine Psycho-Spielchen gefürchtete Jacob das Sagen und  Holland Valley im Westen hat John fest im Griff, ein besonders brutaler Anhänger der Sekte.
In welcher Reihenfolge man die Gebiete abarbeitet, bleibt dem Spieler selbst überlassen.

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Aber egal für welche Reihenfolge man sich entscheidet: Missionen machen einen großen Spaß. Sie sind abwechslungsreich und keine gleicht so richtig einer anderen. Man verfolgt seine Widersacher im Flugzeug, rast zu einem Krankenhaus um ein Baby zur Welt zu bringen oder schleicht sich durch dunkle Bunker. Auch in der Atmosphäre herrscht – je nach Story oder Nebenmission – große Abwechslung. Ist eine Nebenmission noch so spaßig und bekloppt, wie etwa das Besorgen von den primären Geschlechtsorganen eines Bullen für ein Festival, bei dem man sich super betrinkt (ja, wirklich so im Spiel), sorgen die Hauptmissionen an einigen Stellen für einen Kloß im Hals. Ärgerlich und wirklich frustrierend wird es hier nur, wenn die Mission an etwas unglaublich Blödem scheitert, wie das Verlassen des Missionsgebietes, das zu eng gefasst ist. Wozu denn dann Open World? Auch die KI ist nicht die intelligenteste und gerade die NPCs finden oft nur durch Copy-und-Paste ihren Platz in der Welt. Ein Horizon Zero Dawn macht das an der Stelle besser – man hat nicht ständig das Gefühl schon wieder in ein bekanntes Gesicht zu blicken.

Bestreiten kann man die (Story) – Missionen entweder zu zweit oder allein. Durch die Charakter-Erstellung vom Anfang, wirkt das Spiel sogar eher so, als sei es für den Koop-Modus ausgelegt worden, wobei dieser in den Story-Missionen nicht wirklich Sinn macht. Was aber durchaus für eine tolle Multiplayer-Partie gemacht ist, ist der Arcade – Editor. Wie jetzt, Let’s Play The Sims in Far Cry? In dem Editor stellt man seine eigene Karte zusammen und hat dabei verschiedene Game-Modis. Ob Assault, Outpost, Bounty Hunt oder Journey, ob verschiedene Terrains wie ein Wald oder die Insel aus Far Cry 3 oder gar eine ganz leere Map: Ihr könnt das so gestalten wie ihr wollt und eure Karten für tolle Rewards mit der Community teilen.

Hat man aber keine IRL Freunde, braucht man nicht zu verzagen. Denn man ist nie allein. Während der Kampagne werden einem sogenannte „Spezialisten“ zur Seite gestellt, die einen auf den Missionen begleiten. So hat man beispielsweise mit der Scharf-Schützin Grace das Vergnügen, oder mit dem immer gut gelaunten Nick, der einen per Flugzeug unterstützt. Auch tierische Begleiter bleiben nicht aus und so darf man sich über kuschelige Vierbeiner wie den Hund Boomer oder den Bären Cheeseburger freuen, die seinen Feinden an die Kehle gehen. Dieses Feature ist zuckersüß und man ertappt sich schnell dabei, wie einem der Hund fehlt, wenn er gerade nicht anwesend ist. Allgemein sind die Hauptcharaktere in Far Cry 5 sehr sympathisch. Sie haben ein Gesicht, eine Persönlichkeit und geben dir einen Grund zum kämpfen.
Was aber den Zauber von Far Cry bisher immer ausgemacht hat, war die Story, für mich das Herzstück von jedem Far Cry Titel.
Das Kämpfen für einen Preis. Auch bringt die Far Cry – Reihe jedes Mal aufs neue wieder einzigartige Villains mit sich. Ob der allseits beliebte Vaas aus Far Cry 3 oder der verrückte Diktator (und mein personal favorite) Pagan Min aus Far Cry 4.
Auch Far Cry 5 brilliert wieder mit einer Top-Inszenierung der Hauptstory. Die Cutscenes sind total intensiv und angsteinflößend und scheuen nicht vor expliziten Gewaltdarstellungen.

Die Hauptstory geht nahtlos in den Open World Spielplatz über und an einigen Stellen fragt man sich, wo man ist und wie man dahingekommen ist. Durch die Aufteilung der Karte in die drei Gebiete geht dennoch etwas an Struktur verloren. Wie schon geschrieben macht es nichts aus, in welcher Reihenfolge man die Kampagne bestreitet, trotzdem fühlt man sich im ersten Moment hilflos, weiß nicht so richtig wo man anfangen soll.

Anders auch als in den Far Cry Teilen davor, fehlt dem Hauptcharakter, dem Spieler, komplett ein Gesicht, eine Stimme und ein Name.
Was heißt ein Gesicht existiert, dennoch ist das nur für den Multiplayer relevant. Hier geht einiges an Storytelling-Potenzial verloren. Wo man als Jason Broody in Far Cry 3 oder als Ajay Ghale in Far Cry 4 noch persönlichen Bezug zur Story und zu den Schurken hatte, ist man hier nur ein stiller Charakter, ein lahmer Avatar und ein ewiger Ja-Sager, der die Resistence anführt, aus …. welchem Grund auch immer. Hier hat der Open-World-Shooter ganz klar an  Persönlichkeit verloren, im Gegensatz zu seinen Vorgängern.
Besonders in Far Cry 4 war dieser persönliche Bezug zu dem Krieg, den man führt und zu Pagan Min so fantastisch, was in einem großartigen Plottwist im Post-Finale mündete. Dennoch bekommt man auch in Far Cry 5 eine düstere, beengende und schockierende Story aufgetischt und „Father Joseph“ als Villain kann sich gut und gerne in die berüchtigte Reihe der eklig-charismatischen Bösewichten der Far Cry-Geschichte einreihen. Zum weiteren Storyverlauf kann ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel schreiben und bis jetzt hat man „Father Joseph“ auch noch nicht oft zu Gesicht bekommen. Ob dieser letztendlich Pagan Min vom Thron stoßen wird? Man wird sehen.
Auf das Finale bin ich auf jeden Fall gespannt wie ein Flitzebogen und kurze Recherche hat auch ergeben, dass ein geheimes zweites Ende auf einen wartet. Definitiv etwas, worauf man sich freuen kann.

Far Cry 5 überzeugt mit einer tollen Optik, wunderschönen Spielwelt und spaßigen Missionen. Wenn man so wie ich auf die grandios inszenierte Story den Fokus legt, kann man gut und gerne über die kleinen (technischen) Fehler hinwegsehen. Spieler, die die Art von Far Cry mögen, werden auch hier wieder voll auf ihre Kosten kommen. Für alle anderen wurde das Konzept etwas geändert, was das Spiel erfrischender wirken lässt. So haben auch „Neulinge“ etwas davon.

Letztendlich bekommt man einen tollen Shooter mit der gewohnten Far Cry Formel – aber mit ein bisschen mehr Salz.

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Far Cry 5
Erscheinungsdatum: 27. März 2018
Studio: Ubisoft
Publisher: Ubisoft
Plattformen: PS4, xBox One, Microsoft Windows (Testversion fett)
Genre: Action-Shooter
KaufenPS4 Version *PC Version *xBox One Version *

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Vielen, vielen Dank an Ubisoft für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

About Marina

Studiert irgendwas mit Medien. Spielt am liebsten auf der PS4, liebt alles was eine dramatische Story hat, am liebsten aber Games mit bärtigen und grummeligen Männern. Ist auf Twitter am coolsten. Chefin bei dieletztevoneuch.de. PR-Mensch bei GameNotify.

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