Im nächsten Teil meiner neuen Reihe „Indie-Perlen“ werfen wir einen Blick auf ein Spiel, in dem ihr als Künstler über eine malerisch anmutende Insel wandelt.
Eastshade.
Worum geht’s?
Ihr seid ein Künstler und landet auf einer Insel. Eastshade. Eine Insel, die eure Mutter sehr geliebt und euch viel davon erzählt hat. Euer einziges Ziel ist es eigentlich nur, auf den Pfaden eurer Mom zu wandeln und ihr zuliebe all ihre Lieblingsorte der Insel auf eine Leinwand zu bringen. Auf dieser Reise über die mysteriöse und geheimnisvolle Insel Eastshade, trefft ihr auf ulkige Gestalten, die euch auf diesem Weg begleiten und denen ihr ein offenes Ohr, sowie eine helfende Hand schenken sollt. Dabei gibt es kein ausgefeiltes Kampf-System oder etwas derartiges. Es gibt nur euch, eure Leinwand, die Natur um euch herum und die sanfte Klaviermusik im Hintergrund. Während ihr also mit Sack und Pack über die Insel zieht, um eurer Mutter ihren letzten Wunsch zu erfüllen, lernt ihr Stück für Stück die Bewohner kennen, mit all ihren Geheimnissen, Sorgen, Ängsten und Träumen.
Was macht es so gut?
Eastshade wurde beworben als die „schönste gewaltfreie Open-World jemals“ und wo das Stichwort „gewaltfrei“ für den ein oder anderen vielleicht langweilig klingen mag, schön ist die Welt allemal. In der Welt von Eastshade braucht es auch keinen Combat. Eastshade will sich nicht inszenieren, als ein Spiel, in der etwas derartiges nötig wäre. Eastshade vermittelt eine gewisse Art von Frieden, von Ruhe, mit einem Hauch von „Solitude“. Eastshade will, dass du inne hälst, dir die Blumen anschaust, dir die Sonne anschaust, den Fischen im Fluss beim Springen zuguckst und den Bewohnern der Insel ein offenes Ohr schenkst. Dies ist auch schon der entscheidende Punkt, was Eastshade zu Eastshade und den Kern des Spiels ausmacht. Die kleinen Storylines, die dir die Bewohner der Insel auftischen sind mal fröhlich, mal deprimierend, mal aufheiternd, überraschend, liebenswürdig oder geheimnisvoll. So trifft man auf ein Apothekerehepaar, das nicht versteht weshalb es keine Kundschaft mehr einfährt. Oder auf einen Rüpel, der seinen Bruder mal richtig schön reinlegen will, sodass er ihm anstatt einen mit Himbeeren gefüllten Kuchen, einen von ihm verhassten Kuchen mit Blaubeeren auftischen will und dich fragt ob du ihn bei seinem Vorhaben unterstützt. Man unterhält sich mit einer Bärin, die ihre beste Freundin unbedingt auf ein Date fragen will, aber nicht weiß welcher Ort auf Eastshade ihr Lieblingsort ist. Oder einen Reh-Bock, dem ein Fass auf seinem Kopf stecken geblieben ist und man auf der Mission, ihm aus dieser misslichen Lage heraus helfen zu wollen, herausfindet, dass er in Wahrheit ein ziemlich schlechter Vater und ein gewaltvoller Ehemann ist. Trifft man dort die falschen Entscheidungen, endet es für die ganze Familie traurig.
Dass die Bewohner von Eastshade allesamt anthropomorphisierte Tiere sind, man es vor allem mit Bären, Rehe, Eulen und Affen zu tun hat, mag zwar merkwürdig erscheinen, wird aber auch nicht weiter thematisiert, sondern ist einfach normal in der Welt von Eastshade. Jede Quest ist so zart und sanft und irgendwie ulkig mit absolut liebenswürdigen Ausgängen geschrieben, sodass man sehr gut verzeihen kann, dass die meisten auf kleinere „Fetch-Quests“ hinauslaufen.
Neben den Unterhaltungen die man führt, gibt es auch ein rudimentäres Crafting-System. Leinwände die man dringend benötigt, Lagerfeuer, Flöße oder Zelte für die kalten Nächte auf Eastshade, kommen natürlich nicht vom Himmel gefallen. So ist es von Vorteil, wenn man Bretter, Stöcke und Pflanzen bei seinen Spaziergängen durch die Wälder einfach gleich miteinsammelt. Schafft man es bei Einbruch der Dunkelheit nicht rechtzeitig sich ein kleines Lager eingerichtet zu haben, gibt es immer noch kleine Tavernen, in die man einkehren kann um ein Nickerchen zu machen, bis der nächste Morgen anbricht.
Eastshade ist natürlich kein perfektes Gesamtkunstwerk. Von den technischen Schwierigkeiten wie Framedrops, meiner immer wieder auftretenden Motion-Sickness beim Spielen oder dem stellenweise etwas krakeligen Voice Acting von Nebencharakteren mal abgesehen, ist das System des Malens und Gemäldeerschaffens, das ja den eigentlichen Kern des Spiels darstellen soll, ziemlich wenig ausgereift. Bis auf das Craften der Leinwände, ist der eigentliche Prozess nur eine erweiterte Screenshot-Funktion. Man legt den Ort des Zeichnens und den Bildausschnitt fest, drückt auf E und auf eine kleine Animation hin ergibt sich das fertige Gemälde. Wo man in Eastshade ein RPG erwartet hat, dessen zentrale Thematik das Zeichnen ist und so eventuell sogar auf ein Mini-Game gehofft hat, bei dem man selbst Bilder erschaffen könnte, wird man enttäuscht. Dennoch geht es in Eastshade am Ende des Tages gar nicht wirklich um das Zeichnen. Dein Dasein als Künstler auf dieser Insel ist nur eine Farce. Eine Farce, um dir all die Geschichten zu erzählen, die Eastshade dir zu erzählen hat.
Für wen empfehle ich es?
Als ein RPG ist Eastshade natürlich für all die empfehlenswert, die Spaß daran haben Geschichten zu lauschen und sich durch Dialogoptionen zu klicken.
Eastshade ist für all diejenigen, die von ihrem Alltag einfach mal eine Pause brauchen und sich in einer beinahe sorgenfreien, von Sonnenlicht durchfluteten, sanften und liebevoll ausgestalteten Fantasywelt verlieren wollen. Eastshade ist voll von persönlichen Geschichten, Schicksalen und Charakteren, die man ins Herz schließen kann. Eastshade spielt sich wie eine Erinnerung an einen warmen Sommertag, an dem alles besser war – und so fühlt es sich auch an.
Für diesen Artikel wurde mir ein Testmuster zur Verfügung gestellt. Vielen Dank an das Team von Eastshade.